Die Nackten

Bezeichnung Wert
Titel
Die Nackten
Untertitel
Roman
Verfasserangabe
Iva Procházková
Medienart
Sprache
Person
Verlag
Ort
Düsseldorf
Jahr
Umfang
263 S.
ISBN13
978-3-7941-8081-3
Schlagwort
Annotation
Angaben aus der Verlagsmeldung Die Nackten / von Iva Procházková Ein heißer Sommer, Berlin und die Natur im tschechisch-sächsischen Grenzgebiet – das ist die Kulisse für das Leben fünf ganz verschiedener junger Menschen. Sylva ist eine Hochbegabte, findet nichts öder als Schule und ist am liebsten nur in der Natur. Niklas hat einen Faible fürs Filmemachen, verliert sich aber mit der bildschönen Evita in der Drogenszene. Evita ist auf der Suche nach dem absoluten Glück mit immer härteren Trips schon zu weit gegangen, Niklas schafft den Absprung. Filip ist in Sylva verliebt, steht sich aber mit seiner intellektuellen Art selbst im Weg. Erst als ein anderes Mädchen Sylvas Platz einnimmt, lässt er sich mitreißen. Robin kann es seinem Vater nie recht machen und versteckt sich vor sich selbst. Erst durch seine Begegnung mit Sylva kann er seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Leseprobe In der offenen Landschaft holt ihn der Regen früher ein als erwartet. Ohne das übliche Vorgeplänkel fällt er aus dem niedrigen Himmel, unvermittelt und heftig, der ausgetrocknete Asphalt wird im Nu schwarz, kleine Wasserströme nehmen erst in den ausgespülten Rinnen Anlauf, dann bedecken sie nach und nach die ganze Fahrbahn. In Kürze entsteht ein Wildbach. Filip beschleunigt seinen Schritt, bald aber wird ihm klar, dass er keine Chance gegen die Naturelemente hat, und wird wieder langsamer. Noch gestern hätte ihm diese Situation die Laune verdorben. Er wäre in den Wald gelaufen und hätte ein trockenes Versteck gesucht, wo man den heftigen Guss hätte überstehen können. Heute zieht er nur seine Schuhe aus und geht weiter, immer aufgeregter, mit jedem Schritt faszinierter. Es ist ein echtes Aha-Erlebnis für ihn. Laufen mitten im Unwetter macht ihn frei, löst alle die ineinander verschlungenen Fäden seiner Emotionen. »Ein Sommerblues!«, schreit er begeistert ins Wassergetöse. »Blues für die Wolken! Für den Regen, der mich erwischt hat!« Er hebt einen Fuß und stampft in die größte Pfütze, sodass das Wasser nach allen Seiten spritzt. Schlammtropfen landen auf dem weißen Gips, in Filips Gesicht, an seinem Hals. Es macht ihm Spaß. »Ich trample in die Pfützen!«, jubelt er. »Es regnet mir auf den Kopf! Das hier ist My Private Blues!« Er hört hinter ihm den von der Endhaltestelle zurückkommenden Bus. Der Fahrer bremst, macht die Tür auf. »Spring rein!«, ruft er. Filip lehnt sein freundliches Angebot ab. »Ich kann nicht! Ich bin noch nicht nass genug!« Der Fahrer macht große Augen. Dann tippt er sich an die Stirn, schließt die Tür und fährt langsam bergab. Die Reifen lassen hohe Wasserfontänen aufspritzen. Nach einer Weile verschwindet der Bus hinter dem Hügel. Der Motor wird bald vom Regen übertönt, der mit jeder Sekunde gewaltiger wird. Filip spürt, wie die Wassermassen seine inneren Barrieren wegreißen und sich neue Wege suchen. Er wehrt sich nicht dagegen, im Gegenteil, er breitet seine Arme aus. Keinen trockenen Fetzen hat er mehr am Leib, das Wasser dringt inzwischen auch in den Gipsverband ein. Es gibt nichts mehr, was ihn aufhalten kann. Er berührt alles, er ist alles. Sylva, ich verstehe jetzt…