Kleine Schritte

Bezeichnung Wert
Titel
Kleine Schritte
Untertitel
; Roman
Verfasserangabe
Walter Müller
Medienart
Sprache
Person
Verlag
Ort
Salzburg
Jahr
Umfang
198 S.
Annotation
Jugend in Salzburg im Jahr 1940. (DR) Um halb sieben am Abend beginnt im Radio die Führerrede, die dauert bis acht. Dann wäre heute der Heimabend vom Bund Deutscher Mädel, aber den schwänzt Grete, denn sie hat ein Stelldichein. Ihr Bruder Werner ist in Hella verliebt, Hella erlaubt aber Robert, den Arm um sie zu legen. Dem selben "Scheißkerl" Robert, den Grete im "Juxstandesamt" des Winterhilfswerks heiratet. Im Kurpark spielt man "Bomben werfen auf England" und wenn sich jemand wehtut, sagt der Hausarzt: "Denen an der Front geht es hundertmal schlechter." Die Jugendlichen des Jahres 1940 schreiben einander Liebesbriefe, die nicht immer beantwortet werden, und leiden an Liebeskummer. Alles andere ist nebensächlich. Von der Front kommen ohnehin nur Siegesmeldungen. Die vereinzelten Todesnachrichten werden erstaunlich gelassen zur Kenntnis genommen. Offenbar akzeptiert man sie als notwendige Kollateralschäden auf dem Weg zur Welteroberung. Schließlich lebt man in einer "großen, bedeutsamen Zeit". Derweil geht der Alltag mit seinen kleinen Sorgen und Freuden ziemlich ungestört weiter. Grete schreibt gleich mehreren Soldaten Briefe an die Front, denn die haben ohnehin nicht gleichzeitig Urlaub. Walter Müller hat ein Tagebuch seiner Mutter als Quelle für diesen Roman benützt. Die damals Siebzehnjährige interessiert sich nicht für die Weltgeschichte, sondern für ihre vielen Verehrer und ob sie mehr Liebesbriefe bekommt als ihre Freundinnen. Wer will es ihr verübeln? Die jungen Soldaten auf Fronturlaub erzählen ja auch nichts von ihren Erlebnissen, sondern wollen sich mit der unbeschwert naiven Grete amüsieren. Wenn schon die meisten Erwachsenen im zweiten Kriegsjahr die Augen vor der Wirklichkeit verschließen, kann man von den Jugendlichen wohl kaum verlangen, dass sie sich über Politik den Kopf zerbrechen. In einer unprätentiösen, klaren Sprache beschreibt dieses Buch ein Leben im Ausnahmezustand und zeigt, dass dieses Leben erschreckend normal ist, obwohl die Barbarei längst alle Lebensbereiche infiltriert hat. Es wäre aus heutiger Sicht einfach, über diese Jugendlichen und Erwachsenen den Stab zu brechen, doch ihre Realitätsverleugnung und ihr zähes Festhalten am Alltäglichen waren wohl eine Überlebensstrategie. Sehr zu empfehlen, auch für Jugendliche. *bn* Renate Langer
Altersbeschränkung
0
EAN
9783701311804